5. Juni 2019 | News

Bericht zur Veranstaltung: Zur Zukunft von Arbeit und Umwelt

Die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung für Umweltschutz und Arbeit nutzen. ÖKOBÜRO und Arbeiterkammer Wien veranstalteten am 14. Mai 2019 einen gemeinsamen Vormittag, um über die Zukunft von Arbeit und Umwelt im Kontext der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals/SDGs) zu diskutieren.

Veranstaltung: Zur Zukunft von Umwelt und Arbeit

SDGs sind Kompass zu Win-Win-Situationen.

ÖKOBÜRO-Geschäftsführer Thomas Alge forderte in seiner Eröffnung die rasche Umsetzung der in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen genannten Nachhaltigkeitsziele: „Umweltschutz und Arbeit sollen sich ergänzen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die SDGs sind ein Kompass, der in der politischen Entscheidungsfindung zu Win-Win-Situationen für Umwelt, Arbeit und Gesellschaft führen soll.“ Um den Weg in diese Richtung auch zu beschreiten, brauche es rasch einen von der Regierungsspitze getragenen Umsetzungsprozess unter der Einbeziehung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, so Alge.

Die Leiterin der AK Abteilung Umwelt und Verkehr, Sylvia Leodolter, forderte anschließend die Bundesregierung dazu auf, „endlich konkrete Maßnahmen zu setzen.“ Zukunftsweisende Maßnahmen wie die Klimaziele seien zu verwirklichen. „Politik darf nicht für die Interessen der Wirtschaft und auf dem Rücken der Menschen gemacht werden, zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und rücksichtlos gegenüber der Umwelt und den Lebensbedingungen der kommenden Generationen“, betonte Leodolter. Die SDGs dienen dabei als tauglicher Kompass zur positiven Bewältigung aktueller wie kommender Herausforderungen.

Thomas Alge, ÖKOBÜRO

Ökologie, Ökonomie und Soziales als Dimensionen der Klimapolitik.

Daniela Kletzan-Slamanig vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) stellte in ihrer Keynote die Ergebnisse des Berichts „Monitoring Sustainable Development. Climate and Energy Policy Indicators“ vor. In einem Indikatoren-Set für die Klima- und Energiepolitik wurden sowohl die Sektoren des Energiesystems berücksichtigt - Haushalte, Verkehr, Industrie, Dienstleistungen und Energieversorgung – als auch alle drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Eine Untersuchung von neun europäischen Ländern – darunter Österreich – zeige, dass positive Entwicklungen im Moment vor allem von der ökologischen Dimension getrieben werden, etwa durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Bei der ökonomischen Dimension – z.B. der Energieeffizienz – und der Leistbarkeit gebe es hingegen nur wenige Fortschritte. Daher brauche es glaubhaftes politisches Commitment, stabile Rahmenbedingungen, ambitionierte Instrumente sowie nationale Zielsetzungen, um die SDGs zu erreichen. Dies setze aber auch Transparenz und eine faktenbasierte Diskussion über Zielkonflikte und soziale Kosten voraus, so Kletzan-Slamanig in ihrem Vortrag.

Daniela Kletzan-Slamanig, WIFO

Wohlstand ohne Ausbeutung.

Um ein Wohlstandsmodell zu verwirklichen, welches nicht primär auf der Ausbeutung von Ressourcen beruht, gelte es Konsumgewohnheiten zu durchbrechen. Das erläuterte Alex Demirovic, außerplanmäßiger Professor an der Goethe-Universität Frankfurt, in der zweiten Keynote des Vormittags. Man sei es gewohnt, sich primär mit dem Auto fortzubewegen – oder für Mittelstrecken bereits mit dem Flugzeug. Für steigenden Bedarf plane man daher in der Regel einfach mehr des Bestehenden: Mehr Autobahnen, mehr Flughäfen und so weiter. Dabei komme die Diskussion zu kurz, wie Alternativen aussehen können, um einen umfassend demokratisch gestalteten sozial-ökologischen Entwicklungspfad einzuschlagen und somit Umwelt- wie auch soziale Gerechtigkeit sicherzustellen.

Alex Demirovic, Goethe-Universität Frankfurt

Arbeitsbegriff angesichts hoher "Umweltvernutzung" hinterfragen.

Beate Littig, Soziologin am Institut für Höhere Studien in Wien, fokussierte in ihrer Keynote auf sozial-ökologische und geschlechterpolitische Perspektiven von nachhaltiger Arbeit. Insbesondere der Arbeitsbegriff müsse angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt, einer hohen „Umweltvernutzung“ sowie neuer Lebensformen hinterfragt und erweitert werden. Nachhaltige Arbeit schütze vor einer Übernutzung der Natur wie auch einer Überforderung der Arbeitenden, insbesondere auch der Frauen. „Die Möglichkeit der Erbringung von Mischarbeit, welche Erwerbsarbeit, wie auch Sorge- und Familienarbeit sowie Gemeinwesen- und Eigenarbeit beinhalte, ist wesentlich, um nachhaltige Arbeit zu gewährleisten“, so Littig. Kürzere Normalarbeitszeiten, eine sozial-ökologische Steuerreform sowie die Anpassung sozialer Absicherung seien dafür notwendige Voraussetzungen.

Beate Littig, IHS Wien

Dynamische Debatten über nachhaltige Zukunftsmodelle.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von Monika Auer, Generalsekretärin und Geschäftsführerin der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik, stand die zentrale Frage der Veranstaltung im Fokus: „Wie können die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung als Kompass für den Weg in die sozial-ökologische Gesellschaft dienen?“ Die Bedeutung der SDGs als wichtigen Orientierungspunkt für die Gestaltung der Zukunft Österreichs betonte Sabine Schneeberger, zuständige Abteilungsleiterin im Bundeskanzleramt. Die anstehende Berichtslegung (Voluntary National Review) Österreichs im Jahr 2020 biete Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme. Auch die Empfehlungen des Rechnungshofs zur Umsetzung der Agenda 2030 werden aktuell noch geprüft.

Martin Windter, ÖGB-Sekretär für Linz-Stadt, wies ebenfalls auf die Eignung der SDGs als Orientierungshilfe für langfristig nachhaltige Entscheidungen hin. In diesem Zusammenhang sei vor allem eine dynamische Debatte über nachhaltige Zukunftsmodelle wichtig: „Es braucht nicht mehr Ziele, sondern mehr Praxis und mehr erkennbare Dynamik.“ So sei etwa der Ausstieg aus der Braunkohle in Deutschland das Ergebnis einer breiten Diskussion unter Einbeziehung der Gewerkschaften gewesen.

Auch Alex Demirovic hob die Bedeutung einer „entscheidungsfähigen“ Diskussion und einer starken Zivilgesellschaft für den Weg in eine nachhaltige Zukunft hervor. Insbesondere brauche es eine Diskussion darüber, wer eigentlich Zukunft gestalten soll.

von links: Alex Demirovic, Beate Littig, Monika Auer, Leonore Gewessler, Sabine Schneeberger, Martin Windtner

Über den Strukturwandel der Industrie und die große Transformation.

„Für die große Transformation braucht es Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik, wobei letzterer der größte und wichtigste Akteur ist“, betonte Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von GLOBAL 2000. Um eine solche Transformation zu gewährleisten, brauche es vor allem eine gesellschaftliche Debatte zur Frage was „ein gutes Leben für alle“ konkret bedeute. Wichtig seien „eine langfristige Orientierung und eine Politik, die ambitioniert ist, den Dialog sucht und Fragen aushandelt“, meinte Gewessler. Für Beate Littig benötigen wir für die Nutzung der SDGs als Kompass neben einer umfassenden Analyse vor allem Verbindlichkeit sowie ein Konkretisieren der sehr allgemein formulierten SDGs. Die SDGs seien ein breiter Katalog. Dieser Interpretationsspielraum biete Risiken wie Chancen.

Windter meinte abschließend: „Österreich allein ist unbedeutend. Wir brauchen Europa, wir brauchen die ganze Welt.“ So müssen auch die Auswirkungen von Investitionen, Projekten und anderen Unternehmungen im Sinn der SDGs gesamtheitlich und in globalen Zusammenhängen betrachtet werden.

In ihrem Resümee betonte Sylvia Leodolter die Notwendigkeit, Arbeit und Umwelt zusammen zu denken. Der sich abzeichnende Wandel in der Industrie sei rechtzeitig zu begleiten, um eine sozial-ökologisch nachhaltige Zukunft sicherstellen zu können. Darüber hinaus brauche es einen grundlegenden Strukturwandel. „Wir brauchen dringend ein anderes Politikmuster, wo das Primat der Wirtschaft durch das Primat einer demokratischen Politik ersetzt wird. Wir brauchen einen ernstgemeinten Dialog auf allen Ebenen und unter Einbeziehung aller Akteurinnen und Akteure“, so Leodolter abschließend.

Sylvia Leodolter, Arbeiterkammer Wien

Präsentationen

Daniela Kletzan-Slamanig: Die SDGs als Kompass für Transformation
Beate Littig: Nachhaltige Zukünfte von Arbeit

Rückfragen & Details

Lisa Weinberger
Projektleitung SDGs und Nachhaltigkeit
lisa.weinberger@oekobuero.at