
© ÖKOBÜRO
Vertreter:innen aus Wissenschaft, Kinder- und Jugendvertretungen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen diskutierten über konkrete Möglichkeiten, die Beteiligungsrechte junger Menschen im Kontext der Klimakrise zu stärken.
Insgesamt 40 Vertreter:innen aus Wissenschaft, Kinder- und Jugendvertretungen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen waren der Einladung in die Blumenfabrik gefolgt. Ziel des Trainings war es, Expert:innen aus den Bereichen Umweltschutz und Kinderrechte zu vernetzen, um gemeinsam konkrete Ansätze zur Stärkung von Kinder- und Jugendbeteiligungsrechten im Kontext von Umweltkrisen zu diskutieren.
Kinder, die heute geboren werden, werden mit den vollen Auswirkungen der Klimakrise leben müssen – doch wie werden ihre Rechte dabei geschützt? Mit dieser Frage beschäftigt sich das EU-weite Projekt ENRICH, das von sieben Partnerorganisationen getragen wird, darunter auch ÖKOBÜRO. In einer dreiteiligen Training-Reihe sucht ÖKOBÜRO nach konkreten Ansätzen, um den theoretischen Rahmen zu Partizipation von Kindern mehr in der Praxis umzusetzen.
Das erste Training zum Thema zeigte, dass trotz bestehender rechtlicher Rahmenwerke zur Kinderbeteiligung in Umwelt- und Klimafragen in der Praxis noch große Lücken bestehen. Insbesondere wurde deutlich, dass Kinderrechte bzw. deren Partizipation in Entscheidungsprozessen vielfach noch unzureichend umgesetzt werden. „Es ist nach wie vor so, dass wir auf globaler Ebene kein rechtlich verbindliches Recht auf eine gesunde Umwelt haben“, betont Margit Ammer von ÖKOBÜRO. Zwar sind Kinderrechte in Österreich in der Verfassung verankert, doch werden sie in der Praxis oft unzureichend umgesetzt.

© ÖKOBÜRO
Zwischen Recht und Realität
Aktuelle Umweltkrisen, wie die Klimakrise haben massive Auswirkungen auf das Leben von Kindern und jungen Menschen. Gleichzeitig fehlt es vielerorts an einem rechtsverbindlichen Anspruch von Kindern auf Umweltschutz und einer wirksamen Beteiligung von Kindern an Entscheidungen, die ihre Zukunft betreffen.
Helmut Sax (Ludwig-Boltzmann-Institut für Grund- und Menschenrechte) legte in seinem Vortrag dar, wie unzureichend Kinder weltweit vor Umweltgefahren geschützt sind, obwohl sie am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. „Es zahlt sich aus, jungen Menschen in der Gesellschaft mehr Gehör zu verschaffen, insbesondere in Klimafragen", so Sax.
Er wies auch auf das bestehende Machtungleichgewicht zwischen Jung und Alt hin: Junge Menschen in Österreich machen nur noch einen kleinen Bevölkerungsanteil, nämlich knapp 20 Prozent, aus. Gleichzeitig hat die Zahl der Senior:innen 2025 einen neuen Höchststand erreicht. Er fragte: „Was heißt das für den Zugang zu Recht für junge Menschen, wenn sie nur noch ein Fünftel der Bevölkerung eines Landes ausmachen?“
Sax verwies auf den UN-Kinderrechtsausschuss, der mit dem General Comment 26 die Vertragsstaaten zu sofortigem Handeln verpflichtet, um Kinderrechte auch in der Umweltpolitik zu schützen.
Rechtsanwältin Michaela Krömer verwies auf konkrete rechtliche Lücken in Österreich: „Kinderrechte sind in der Verfassung - und spielen aus Anwaltssicht praktisch keine Rolle." Ihre Erfahrungen aus drei Klimaklagen zeigten, wie schwer es ist, den Zugang zum Recht tatsächlich auch zu erhalten. Das Recht auf Generationengerechtigkeit sei eigentlich in der Verfassung verankert, wurde aber mit dem faktisch leeren Klimaschutzgesetz von 2011 nicht berücksichtigt. Trotzdem wurden zwei Klimaklagen (hier: Individualanträge), die Krömer gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingereicht hatte, nicht inhaltlich bearbeitet, da der Gerichtshof sie aus formellen Gründen zurückwies.
Ines Garnitschnig (Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien) stellte das sogenannte PPP-Prinzip (Provision (Versorgung), Protection (Schutz) und Participation (Mitbestimmung)) vor: "Schutz kann nicht gelingen, wenn Vorsorge und Teilhabe nicht existieren oder mitgedacht werden." Auch strukturelle Hindernisse wurden angesprochen – etwa die geringe Sichtbarkeit von Kinderrechten in der Öffentlichkeit oder das Machtungleichgewicht in politischen Entscheidungsprozessen. „Es geht darum, die Macht der Vielen sichtbar zu machen und gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der Einzelnen hervorzuheben“, erklärte Garnitschnig.

© ÖKOBÜRO
Gute Beispiele, große Herausforderungen
In einer abschließenden Paneldiskussion tauschten sich Vertreter:innen der Bundesjugendvertretung (Magdalena Polsterer), der Beteiligungsstelle Steiermark (Daniela Köck), CliMates Austria (Lina Oyrer) und der Kinderfreunde (Bettina Rehner) über ihre Projekte aus. Sie gaben Einblicke in Formate wie den Klimajugendrat oder die Kinder-Klima-Deklaration.
Rehner fasste pointiert zusammen: „Man hört Kindern und Jugendlichen nicht zu, obwohl sie oftmals mehr über die Klimakrise wissen als Erwachsenen, weil es sie mehr betrifft." Lina Oyrer ergänzte: „Die junge Generation hat der Klimakrise erst den hohen politischen Stellenwert gebracht, den sie heute hat.“

© ÖKOBÜRO
Fokus auf Beteiligung, Bildung und strukturelle Umsetzung
Das Training machte deutlich: Kinder- und Umweltrechte gehören zusammen gedacht. Die Beiträge zeigten vielfältige Zugänge, von politischer Bildung über rechtliche Rahmenbedingungen bis hin zur konkreten Beteiligungspraxis.
Kinderrechte dürfen nicht mehr nur „schöne Verfassungsrechte“ sein, „mit denen man faktisch nichts machen kann, wie es Krömer formulierte. Der Appell lautete deshalb: Kinderrechte wo immer möglich mitdenken und mitklagen!
Alle waren sich einig: Es braucht mehr rechtliche Verbindlichkeit, strukturelle Unterstützung, politischen Willen und eine breite gesellschaftliche Sensibilisierung, damit Kinder ihr Recht auf eine gesunde Umwelt nicht nur auf dem Papier haben, sondern auch leben können.
Das Training fand im Rahmen des Projekts statt, das von der EU gefördert wird und das Bewusstsein für die Verbindung zwischen Kinderrechten und Umweltkrisen stärken will.
