18. Juni 2025 | NEWSFLASH Umweltrecht

Saúl Luciano Lliuya v. RWE: Zivilrechtliche Haftung großer Emittenten für Folgen der Klimakrise

Das Urteil des deutschen Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 28. Mai 2025 im Fall Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energieversorgungskonzern RWE wird als Meilenstein bezeichnet und könnte Klimaklagen gegen fossile Unternehmen weltweit Rückenwind geben.

Eine ähnliche rechtliche Grundlage wie in dieser Entscheidung dürfte es nämlich in einigen Staaten der Welt geben. Das Urteil zeigt einen Weg für die Justiziabilität zivilrechtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit den Folgen des Klimawandels. 

Ein peruanischer Landwirt klagt einen deutschen Energiekonzern 

Saúl Luciano Lliuya, ein Landwirt und Bergführer aus Peru, hatte den deutschen Energiekonzern RWE in zivilrechtlichen Verfahren vor deutschen Gerichten geklagt. Er argumentierte, dass erhebliche Treibhausgas (THG)-Emissionen der RWE Kraftwerke zu Klimawandel und somit zur Gletscherschmelze in Peru beigetragen hätten. Dies hätte das Risiko für Überflutungen seines Hauses, das sich unter einem Gletschersee am Fuße der Anden befindet, erhöht. Das Schmelzen stelle eine akute Bedrohung dar, für deren Minderung (Hochwasserschutzmaßnahmen) dem Kläger Kosten entstanden seien bzw. entstehen würden, die RWE teilweise erstatten solle. Der berechnete Anteil belaufe sich auf 0,47 % der Gesamtkosten - der gleiche Prozentsatz wie der geschätzte Beitrag von RWE zu den weltweiten industriellen THG-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung.  

Herr Luciano Lliuya hatte die Klage bereits 2015 beim Landgericht in Essen, wo sich der Hauptsitz des Unternehmens befindet, eingebracht. Dieses Gericht stufte die Rechtssache als „von grundsätzlicher Bedeutung“ ein, wies aber 2016 die Klage wegen fehlender rechtlicher Kausalität zwischen bestimmten THG-Emissionen und bestimmten Auswirkungen ab. 2017 legte Saúl Luciano Lliuya beim Oberlandesgericht Hamm (OLG) Berufung ein. Noch im gleichen Jahr stellte das OLG bei der mündlichen Anhörung fest, dass es einen zivilrechtlichen Anspruch basierend auf §1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Eigentümers) gegen den Energiekonzern RWE grundsätzlich für möglich hält und entschied den Eintritt in die Beweisaufnahme. 2018 bekräftigte das OLG Hamm, dass Klimaschäden eine Unternehmenshaftung begründen könnten. Im Mai 2022 fand ein gerichtlicher Ortsbesuch zur Beweisaufnahme in Huaraz statt. Am 28. Mai 2025 wurde die Berufung zurückgewiesen. 

Negativer Verfahrensausgang im Einzelnen, aber potentiell weitreichende Folgen insgesamt 

Das OLG Hamm gelangte im konkreten Fall zu dem Schluss, dass bezogen auf das Grundstück bzw. Das Haus des Klägers das Risiko von Schäden durch eine Gletscherflut nicht ausreichend hoch ist: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wasser eines nahe gelegenen Gletschersees innerhalb der nächsten 30 Jahre sein Haus erreicht, wurde auf nur etwa ein Prozent geschätzt; selbst dann würde das Hochwasser nicht ausreichend die strukturelle Integrität des Gebäudes gefährden.  

Wesentlich ist aber, dass das Gericht die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 1004 BGB im Rahmen der Klimakrise sowie die Verantwortlichkeit eines privaten Unternehmens für seinen Anteil an der Verursachung klimabedingter Schäden bejahte. Entscheidend für die Kausalität sei, dass RWE mit seinen Kraftwerken wesentlich zum Anstieg der globalen THG-Konzentration beigetragen hat und die fragliche Gefahr eine Folge des Klimawandels ist. Dies ist grundsätzlich auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbar, also Fälle, in denen Betroffene außerhalb Deutschlands leben, während der Störer seinen Sitz und Hauptemissionsquellen in Deutschland hat. Auch die Tatsache, dass RWE seine Emissionen mit staatlicher Genehmigung ausgestoßen hat, schützt nicht automatisch vor zivilrechtlicher Haftung. Wenn ein Unternehmen in erheblichem Maß zur Gefährdung von Rechtsgütern beiträgt, kann es trotz Genehmigung zivilrechtlich in Anspruch genommen werden. 

Das Urteil stellt grundlegende Weichen für mögliche weitere Verfahren: Große THG-Emittenten können grundsätzlich für die Auswirkungen ihrer Emissionen nach deutschem Zivilrecht zur Verantwortung gezogen werden (das Urteil öffnet allerdings nicht die Tür für Klagen gegen jeden einzelnen Emittenten). Wenn eine Beeinträchtigung des Eigentums droht, kann ein CO₂-Emittent verpflichtet sein, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Weigert sich der Emittent endgültig, könnte die Haftung für künftige Kosten im Voraus entsprechend seinem Anteil an den globalen Emissionen festgelegt werden. Die geografische Entfernung zwischen Kraftwerken der Beklagten und dem Wohnsitz des Klägers im Ausland macht die Klage allein nicht unbegründet.  

The climate case - Saúl vs. RWE