20. Februar 2024 | NEWSFLASH Umweltrecht

VfGH beurteilt 17-jährige Übergangsfrist für Vollspaltbuchten als zu lang

Die burgenländische Landesregierung hat vor dem Verfassungsgerichtshof die 17-jährige Übergangsfrist für das Verbot unstrukturierter Vollspaltbuchten im Tierschutzgesetz (TSchG) angefochten. In dem Erkenntnis G 193/2023 stuft der VfGH diese Frist als verfassungswidrig ein, da sie den Tierschutz nicht angemessen berücksichtigt und zu einer Ungleichbehandlung führt. Medienberichte deuten nun auf eine mögliche Verkürzung der Übergangsfrist auf 2030 hin. Führt dies zu einer deutlichen Besserstellung in Sachen Tierschutz oder wäre eine darüberhinausgehende Überarbeitung der Bestimmungen effektiver für das Tierwohl?

Zu dem Verbot unstrukturierter Vollspaltbuchten, der Übergangfrist und dem Antrag der burgenländischen Landesregierung

Mit ihrem Antrag beim VfGH machte die burgenländische Landesregierung unter anderem geltend, dass die im TSchG vorgesehenen Übergangsbestimmungen für die Umsetzung des in § 18 Abs 2a TSchG verankerten Verbots der Haltung von Absetzferkeln, Zuchtläufern und Mastschweinen in unstrukturierten Vollspaltbuchten ohne Funktionsbereiche unangemessen lang seien. Durch das mit dem „Tierschutzpaket 2022“ eingeführte Verbot sollen Vollspaltbuchten nun also strukturiert sein und daher Funktionsbereiche aufweisen. Das Verhaltensrepertoire von Schweinen zeigt, dass die Tiere viel Wert auf einen sauberen Liegebereich legen. Haben sie daher die Wahl, trennen sie ihren Liege- und Aufenthaltsort strikt von dem Bereich, in dem Kot und Urin ausgeschieden wird. Um den Tieren diese Trennung zu ermöglichen, braucht es eigene Bereiche für Fressen, Ruhe, Aktivität und Ausscheidungen (Funktionsbereiche). Für die Unterteilung in Funktionsbereiche ist ausreichend Platz notwendig. Damit keine Schadgase (z.B. Ammoniak) durch den unterhalb des perforierten Bodens liegenden Güllekanal in den Liegebereich aufsteigen können, sollte der Liegebereich eingeschlossen sein. Das in § 18 Abs 2a TSchG verankerte Verbot sieht nun also diese Unterteilung in Funktionsbereiche vor, wobei das Platzangebot nur geringfügig erhöht wird und die Liegebereiche nicht eingeschlossen sein müssen. Auch ist die Verwendung perforierter Betonböden ohne verpflichtende Einstreu zulässig.

Das Verbot gilt seit 1.1.2023 für alle ab diesem Datum neu errichteten oder umgebauten Anlagen. Für vor dem 1.9.2022 bereits bestehende Anlagen gilt das Verbot gemäß § 44 Abs 29 TSchG erst nach Ablauf einer 17-jährigen Übergangsfrist, ab dem 1.1.2040. Laut dem Antrag der burgenländischen Landesregierung werde „das durch die Verankerung des Verbots verfolgte Ziel des Tierschutzes durch überschießend lange Übergangsfristen unterlaufen“. Die burgenländische Landesregierung führt hierzu aus, dass diese lange Frist unter anderem gegen das im BVG Nachhaltigkeit verankerte Bekenntnis der Republik Österreich zum Tierschutz verstoße, da zentrale Tierschutzgesichtspunkte außer Acht gelassen werden. Außerdem führe die Frist zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Haltungsanlagenbetreiber, da das Verbot für manche von ihnen bereits seit 2023 und für andere erst ab 2040 gelte. Das, vom Gesetzgeber selbst durch Einführung des Verbots verfolgte, Interesse am Tierschutz wiege schwerer als ein Vertrauensschutz auf eine weiterhin zulässige Verwendung von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich.

Zu den Ausführungen des VfGH

Der VfGH erklärt die Bestimmungen zu den Übergangsfristen als verfassungswidrig. Bei der Interpretation der Frist ist das öffentliche Interesse des Tierschutzes mit dem öffentlichen Interesse der Planungssicherheit und des Investitionsschutzes der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe abzuwägen. Durch eine Übergangsbestimmung kann einem solchen Interessensausgleich Rechnung getragen werden. Allerdings darf die Übergangsbestimmung nicht zu einer sachlichen Ungleichbehandlung führen oder eine sachlich nicht gerechtfertigte Dauer aufweisen. Durch die Einführung des Verbots unstrukturierter Vollspaltbuchten hat der Gesetzgeber eine Wertung im Hinblick auf das Ziel des Tierschutzes getroffen. Durch diese Wertung „ist es sachlich nicht gerechtfertigt, wenn er mit der Festlegung einer 17-jährigen Übergangsfrist einseitig auf den Investitionsschutz abstellt und bei der Abwägung den Tierschutz nicht adäquat berücksichtigt.“ Außerdem schafft die lange Übergangsfrist eine „sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen den Betreibern einer neuen Haltungsanlage und jenen einer bestehenden Haltungsanlage für einen übermäßig langen Zeitraum“. Der Investitionsschutz rechtfertigt keine derart lange Übergangsfrist. Dies vor allem auch deshalb, da sie pauschal auf 17 Jahre festgelegt wurde, „ohne etwa auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der bestehenden Anlagen abzustellen“. Die unterschiedliche Behandlung der Haltungsanlagen hat „somit eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung geschaffen, indem neuen Betreibern höhere Markteintrittskosten auferlegt werden und die bewirkte Ungleichheit in Bezug auf den Wettbewerb für 17 Jahre aufrechterhalten wird.“ Die Bestimmungen verstoßen daher gegen den Gleichheitssatz des Art 7 B-VG. Bei Untätigkeit des Gesetzgebers treten die Übergangsbestimmungen mit 1.1.2025 außer Kraft. Ab dann würde das Verbot der unstrukturierten Vollspaltbuchten für alle Betriebe ohne Übergangsfrist gelten.

Laut den Medien steht derzeit eine Verkürzung der Übergangsfrist auf das Jahr 2030 im Raum. Wie die obigen Ausführungen zu der Ausgestaltung der unstrukturierten Vollspaltbuchten ohne Funktionsbereich allerdings zeigen, wäre aus Tierschutzsicht eine weitere Erhöhung des Platzangebots, sowie eine Verpflichtung zu geschlossenen und eingestreuten Liegebereichen der effektivere Weg. Nichtsdestotrotz sind das gegenständliche Erkenntnis und eine Verkürzung der Frist wichtige Schritte zu einer Verringerung des Tierleids.

Weitere Informationen:

Das Erkenntnis des VfGH

Binder, Das „Tierschutzpaket 2022“ – eine Mogelpackung, TiRuP 2022/A, 115 (134)

Pressemitteilung zu dem Vorstoß von VIER PFOTEN