20. Mai 2025 | Studie, News

Renaturierung von Fließgewässern – Rechtsgutachten zur Entfernung herrenloser Querbauwerke

ÖKOBÜRO und das BOKU-Institut für Rechtswissenschaften zeigen die rechtlichen Voraussetzungen, um verwaiste Flussbarrieren zu entfernen. Ein Beitrag zur Umsetzung der EU-Renaturierungsziele und zur Verbesserung des ökologischen Gewässerzustands.

Österreichs Flüsse sind verbaut. Zu Lasten der Biodiversität. Über 28.000 künstliche Wanderhindernisse blockieren hierzulande die Durchgängigkeit der Flüsse – 95 % davon sind Querbauwerke, wie Wehre oder Sohlschwellen. Sie zerschneiden Lebensräume, stoppen den natürlichen Sedimenttransport und verhindern die Wanderung von Fischen und anderen Organismen. Besonders problematisch: sogenannte herrenlose Querbauwerke. Sie wurden oft vor Jahrzehnten errichtet, erfüllen keinen Zweck mehr und ihr Wasserbenutzungsrecht ist erloschen. Diese verwaisten Flussbarrieren schaden den aquatischen Ökosystemen während sich niemand dafür verantwortlich fühlt.

Klare Ziele von der EU

Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und die neue EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (2024/1991) setzen klare Ziele: 25.000 Flusskilometer sollen bis 2030 europaweit wieder frei fließen. Dafür müssen Mitgliedstaaten künstliche Barrieren erfassen, bewerten und gezielt beseitigen – vor allem solche, die heute keine Funktion mehr haben.

Die Umsetzung ist nicht nur ein Beitrag zur Biodiversität und Wasserqualität, sondern auch zur Erfüllung der Wasserrahmenrichtlinie. Da herrenlose Querbauwerke, also Anlagen ohne gültiges Wasserbenutzungsrecht, besonders geeignet für Renaturierungsmaßnahmen sind, haben ÖKOBÜRO und das Institut für Rechtswissenschaften der Universität für Bodenkultur im Auftrag des WWF ein Rechtsgutachten verfasst, das die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entfernung von herrenlosen Querbauwerken darstellt. Für die Erstellung des Gutachtens wurden mehrere der wesentlichen österreichischen Wasserrechtskommentare sowie umfassend relevante höchstgerichtliche Judikatur herangezogen.

Je nach Fall gelten unterschiedliche Vorgangsweisen

Es zeigt sich eine sehr komplexe Rechtslage. Denn je nach Fall gelten unterschiedliche Vorgangsweisen: Wenn kein Wasserbenutzungsberechtigter mehr vorhanden ist, kann die Entfernung des Querbauwerks nicht als letztmalige Vorkehrung im behördlichen Auftragsverfahren (§ 29 WRG) aufgetragen werden.. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Behörde stattdessen eine Beseitigungsanordnung nach § 138 WRG treffen – andernfalls ist häufig eine wasserrechtliche Bewilligung für die Entfernung des Querbauwerks nötig. Bei stark verfallenen Bauwerken ohne funktionalen Zusammenhang zur früheren Nutzung kann eine Entfernung auch bewilligungsfrei erfolgen.

Hat ein behördliches Auftragsverfahren bereits stattgefunden, ohne dass eine Entfernung angeordnet wurde, gilt das Querbauwerk wasserrechtlich nicht mehr als Anlage und ist eine Bewilligung zur Entfernung nicht erforderlich.

Entschädigungsansprüche sind im Einzelfall zu beurteilen. Sie bestehen aber nur in Ausnahmefällen, etwa wenn Grundstückseigentümer:innen die Betretung ihres Grundstücks für die Entfernung geduldet haben. Erfolgt die Entfernung eines Querbauwerks im Rahmen eines wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens können zudem Entschädigungsansprüche für Fischereiberechtigte anfallen. Hatte ein Anrainer aufgrund des Querbauwerks einen faktischen Vorteil, der jetzt infolge des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechts und der Entfernung des Querbauwerks entfällt, steht kein Entschädigungsanspruch zu.

Für einen besseren Überblick zu den Handlungsoptionen haben ÖKOBÜRO und die Rechtsexpert.innen der BOKU einen Entscheidungsbaum für Behörden entworfen, der die einzelnen Fälle aufgreift. 

Zum Entscheidungsbaum

Komplexe Rechtslage, aber es gibt Handlungsspielräume

Fazit: Herrenlose Querbauwerke blockieren vielerorts den natürlichen Flussverlauf und beeinträchtigen massiv die ökologische Qualität unserer Gewässer. Ihre Entfernung ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch rechtlich möglich. Zwar ist die Rechtslage komplex und fallabhängig, doch bestehen klare Handlungsspielräume: Ob über behördliche Anordnungen, bewilligungsfreie Rückbauten oder neue wasserrechtliche Verfahren. Die gezielte Entfernung solcher Anlagen ist ein entscheidender Hebel, um Österreichs Fließgewässer wieder in einen besseren ökologischen Zustand zu versetzen – im Einklang mit der EU-Renaturierungsverordnung, der Biodiversitätsstrategie und den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie.

Rechtsgutachten: Rechtliche Rahmenbedingungen für die Entfernung herrenloser Querbauwerke