27. Juni 2019 | News

Vor Gericht gegen die Klimakrise kämpfen

Wie funktionieren Klagen für mehr Klimaschutz? Der Weg vor Gericht war Thema einer ÖKOBÜRO-Tagung im Wiener Juridicum.

Zur Tagung „Climate Litigation. Die Möglichkeiten von Klimaklagen in Österreich und Europa“ luden am 4. Juni 2019 die Forschungsstelle Umweltrecht der Universität Wien, Niederhuber & Partner Rechtsanwälte und ÖKOBÜRO.

Climate Litigation-Tagung am Wiener Juridicum

Klimakrise: Bedrohung für Gesundheit und Zivilisation

Helga Kromp-Kolb und Hans-Peter Hutter lieferten zu Beginn der Tagung die Antworten auf die Frage: „Wozu überhaupt Klimaklagen?“ Für Klimaforscherin Komp-Kolb von der Universität für Bodenkultur gehört Klimawandel gemeinsam mit Umweltzerstörung, Ungleichheit und Komplexität zu den vier Indikatoren, die in der Vergangenheit den Kollaps von Zivilisationen anzeigten. Angesichts der ungebremst voranschreitenden aktuellen Klimakrise ein unmissverständlicher Handlungsauftrag, diese mit allen Mitteln zu stoppen. Umweltmediziner Hutter von der Medizinischen Universität Wien verwies auf die bereits eingetretenen Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit: Vermehrte Hitzewellen und Unwetter führen akut zu mehr Todesfällen, Erkrankungen und Verletzungen. Aber auch chronische Effekte auf Haut und Atemwege durch erhöhte UV- und Ozonbelastung sind nachweisbar.

Impulsvortrag von Helga Kromp-Kolb BOKU: Risiken der Klimakrise

ÖKOBÜRO: indirekter Erfolg für Klima vor Verwaltungsgericht

In österreichischen Verwaltungsverfahren diente die Klimakrise bislang vor allem als Argument für die Genehmigung von Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung, analysierte ÖKOBÜRO-Umweltjuristin Katharina Scharfetter. Gegen ein Projekt war hingegen die Klimakrise noch nie ein erfolgreiches Argument, wobei die weitere Entscheidungspraxis in der Umweltverträglichkeitsprüfung diesbezüglich spannend bleibe.

Gregor Schamschula, ebenfalls Umweltjurist bei ÖKOBÜRO, berichtete darüber, wie ÖKOBÜRO indirekt eine für den Klimaschutz wichtige Entscheidung vor dem Salzburger Landesverwaltungsgericht erreichte. Dabei ging ÖKOBÜRO den Umweg über die erfolgreiche Anfechtung des Salzburger Luftreinhalteprogramms. In Folge muss die Landesregierung ihr Programm nun um weitere Maßnahmen erweitern. Diese werden vor allem auf die Verringerung des Autoverkehrs im Land abzielen müssen und damit gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz erbringen.

Folge der ÖKOBÜRO-Klage war zudem die höchstgerichtliche Entscheidung, dass Umweltschutzorganisationen generell das Recht haben, öffentliche Umweltprogramme als zu wenig wirksam anzufechten. Der Gesetzgeber hat dieses Anfechtungsrecht aber bislang nur bei der Luftreinhaltung übernommen, was in der Praxis zu Schwierigkeiten bei Anfechtungen gegen Klimaschutzprogramme führen kann.
 

Klimagklagen Österreich: Katharina Scharfetter von ÖKOBÜRO

USA: bereits 650 Klimaklagen gegen Staat und Unternehmen

Klimaklagen im engeren Sinn richten sich entweder gegen Staaten, damit diese mehr Maßnahmen ergreifen, oder gegen Unternehmen auf Schadenersatz wegen klimaschädlichen Verhaltens. Das erläuterte Judith Fitz vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien. In den USA wurden bereits rund 650 Klimaklagen eingebracht, aber es gibt auch einzelne Beispiele aus Europa und Asien. Franziska Heß (Baumann Rechtsanwälte Leipzig) berichtete von einer momentan anhängigen Verfassungsbeschwerde wegen Untätigkeit des Gesetzgebers beim deutschen Bundesverfassungsgericht. Grundsätzlich sind in Deutschland neben der Verfassungsbeschwerde auch Klagen gegen Handlungen oder Unterlassungen der Verwaltung und Schadensatzklagen gegen Unternehmen möglich.

Schadenersatzklagen gegen Unternehmen oftmals schwierig

Solchen privatrechtlichen Klagen gegen Unternehmen widmete sich Martin Spitzer von der Wirtschaftsuniversität Wien. Ein viel beachteter laufender Fall ist der Versuch eines Peruaners, den deutschen Energiekonzern RWE für die Gletscherschmelze in Peru mitverantwortlich und schadenersatzpflichtig zu machen. Laut Spitzer gefährden mehrere Schwierigkeiten jedoch den Erfolg solcher Klagen. So sei es etwa oftmals schwierig, den konkreten Schaden festzumachen sowie nachzuweisen, dass ein konkretes Unternehmen schuld daran ist und zudem sorgfaltswidrig gehandelt hat.

Martin Spitzer WU: Schadensersatzklagen gegen Unternehmen

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Katharina Scharfetter
Bürgerbeteiligung und Recht
​​​​​​​katharina.scharfetter@oekobuero.at