30. September 2019 | NEWSFLASH Umweltrecht

Verlängerung des belgischen AKWs Doel erfordert UVP und Naturverträglichkeitsprüfung

Ende Juli 2019 entschied der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren über die Verlängerung der Betriebszeit des belgischen AKW Doel um zehn Jahre. Der Gerichtshof bejahte insbesondere die Anwendbarkeit der UVP-Richtlinie sowie der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie. Dies begründete er unter anderem mit dem Umfang der geplanten Renovierungsmaßnahmen, der Dauer der Verlängerung und der Gefahr eines schwerwiegenden Unfalls.

Verlängerung der AKW-Laufzeit durch belgisches Gesetz

Ein belgisches Gesetz vom 28. Juni 2015 legt fest, dass die beiden Atomreaktoren Doel 1 und 2 bis 2025, jeweils um zehn Jahre länger als ursprünglich geplant, in Betrieb bleiben sollen. Diese begründet das Gesetz u.a. mit der Sicherstellung der Stromversorgung in Belgien. Die wegen der Verlängerung Kraftwerkslaufzeit erforderlichen Maßnahmen wurden von der Betreiberin in einem sogenannten „Long-Term-Operation“-Plan dargestellt. Im September 2015 bestätigte die Föderalagentur für Nuklearkontrolle ihre Entscheidung, die geplanten Änderungen keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.

Die belgischen Umweltschutzorganisationen Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen erhoben beim belgischen Verfassungsgerichtshof Klage auf Nichtigerklärung des Gesetzes vom 28. Juni 2015. Diese stützten sie im Wesentlichen auf Unvereinbarkeit mit der UVP-Richtlinie, der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) und der Vogelschutz-Richtlinie sowie den Übereinkommen von Aarhus und Espoo.
 

Anwendbarkeit von UVP- und FFH-Richtlinie

Die dem EuGH vom Verfassungsgerichtshof vorgelegten Fragen bezogen sich, den Vorbringen der Klagenden entsprechend, auf die Anwendbarkeit bzw. Auslegung der entsprechenden unions- und völkerrechtlichen Bestimmungen.

Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass die Verlängerung der Laufzeit den Projektbegriff der UVP-Richtlinie erfüllt, was er mit den umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen begründete. Dass diese nicht im fraglichen Gesetz selbst erwähnt wurden, hielt der EuGH aufgrund der engen Verbindung zu diesem für irrelevant. Der Gerichtshof hielt zudem fest, dass die Verlängerung in Verbindung mit den erforderlichen Arbeiten, um die Kraftwerke mit den Sicherheitsbestimmungen in Einklang zu bringen, mit einer Erstinbetriebnahme der Kraftwerke vergleichbar ist. Aufgrund der geographischen Lage des AKW Doel hielt der Gerichtshof auch erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt der Niederlande für denkbar. Bei einer Entscheidungsfindung wären diese Auswirkungen somit so früh wie möglich zu berücksichtigen, um Umweltbelastungen von vorherein zu vermeiden. Eine UVP müsste sich auch auf die mit der Verlängerung der Kraftwerkslaufzeit eng verbundenen Maßnahmen erstrecken. Eine besondere Ausnahme von der UVP-Pflicht aufgrund der Gefährdung der Stromversorgungssicherheit sah der EuGH nicht als gerechtfertigt.

Daraus, dass die Verlängerung als Projekt im Sinne der UVP-Richtlinie gilt, schloss der EuGH dass die Tätigkeit erst recht vom Projektbegriff der FFH-Richtlinie erfasst sein müsse. Da sich die Kraftwerke in der Nähe von Naturschutzgebieten befinden, befand er die Habitat-Richtlinie also für einschlägig. Die Gefahr der Beeinträchtigung begründete der Gerichtshof insbesondere mit dem Umfang der geplanten Arbeiten, der Dauer der Verlängerung der Stromerzeugung und der Gefahr eines schwerwiegenden Unfalls. Zwar kann das Ziel, die Stromversorgungssicherheit eines Mitgliedstaats zu gewährleisten als überwiegendes öffentliches Interesse eine Ausnahme rechtfertigen, jedoch ist dies nur der Fall, wenn Kenntnis über die Naturverträglichkeit besteht und es eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr der Unterbrechung der Stromversorgung abzuwenden gilt.
 

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