23. November 2022 | NEWSFLASH Umweltrecht

Verfassungsgerichtshof prüft Aufhebung der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung

In einem amtswegig eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren wird sich der VfGH mit der Verordnung über die Verringerung der Einbringung von Stickstoff durch landwirtschaftliche Tätigkeiten auseinandersetzen. Diese könnte aufgrund von Gesetzeswidrigkeit aufgehoben werden.

Beschwerde von Betroffenen führt zu VO-Prüfungsverfahren 

Der VfGH gab bekannt, dass er ein anhängiges Verfahren zur Einhaltung von EU-Grenzwerten für Stickstoff in Gewässern unterbricht, um die Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung (NAPV) einer amtswegigen Prüfung zu unterziehen. Geprüft werden soll dabei gesamte Verordnung dahingehend, ob sie mit den Vorgaben des Wasserrechtsgesetzes konform gehe, was den Schutz des Grundwassers betrifft. Die Prüfung wurde durch den VfGH zwar amtswegig eingeleitet, sie ist aber dennoch auf ein Verfahren zurückzuführen, das von betroffenen Personen und Personengemeinschaften angestrengt wurde. 
Bereits 2015 hatten ein Anrainer mit Hausbrunnen, eine Wasserleitungsverband und eine lokale Gemeinde versucht, gegen die zu hohen Nitratwerte vorzugehen. Dabei war das Ziel, die Umsetzung der EU-Nitrat-Richtlinie in Österreich zu erreichen. Das Verfahren wurde schließlich auch dem EuGH vorgelegt, der bejahte, dass den betroffenen Personen ein subjektives Recht auf die Einhaltung der Nitrat-Grenzwerte zukomme. Auch die zuständige Ministerin stellte damals fest, dass die Einhaltung der Grenzwerte durch zusätzliche Maßnahmen zu erreichen sei, setzte aber keine entsprechenden Schritte. Gegen die Unterlassung der Ministerin, eine neue, verschärfte NAPV zu erlassen, erhoben die Betroffenen Säumnisbeschwerde. Das VwG Wien verneinte den Anspruch, weshalb nun der VfGH angerufen wurde. Das Beschwerdeverfahren ist nun unterbrochen, bis die Prüfung der NAPV abgeschlossen ist.

Rechte der Öffentlichkeit im Blickpunkt

Im Blick ist nun die Handhabung der Rechte der Öffentlichkeit auf den Schutz ihrer Gesundheit auch gegen Unterlassungen der zuständigen Behörde (hier mittlerweile: des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft). Nach dem Gesetzestext sind hier eigentlich keine ausdrücklichen Rechtsschutzmechanismen vorgesehen, dennoch ist im Zusammenwirken der unionsrechtlichen Schutzvorschriften, der Grundrechtecharta und wohl auch der Aarhus Konvention folgend der Entscheidung Protect hier offensichtlich die Notwendigkeit gegeben, der betroffenen Öffentlichkeit Rechtsschutz zuzugestehen. Ähnliche Bestimmungen finden sich derzeit nur im Bereich der Luftqualität im IG-L wo gegen nicht ausreichende Luftreinhalteprogramme in Verordnungsform per Beschwerde (!) vorgegangen werden kann. 
Der Erhalt sauberen Wassers und der Schutz von Gewässern ist ein wesentlicher Bestandteil der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ("SDGs - Sustainable Development Goals"), zu deren Einhaltung sich auch Österreich verpflichtet hat. 

Weitere Informationen:

Prüfungsbeschluss des VfGH E 394/2021-28

ÖKOBÜRO Newsflash Beitrag zur EuGH Nitrat Entscheidung

ÖKOBÜRO Rechtsinformationstext zum Recht auf saubere Luft