26. März 2024 | News, Nachlese

Nachlese Workshop: Wo bleibt der Schutz der Böden? – Möglichkeiten der Öffentlichkeitsbeteiligung nützen

Mit welchen rechtlichen Mitteln können Bürger:innen gegen den hohen Bodenverbrauch in Österreich vorgehen? Dieser Frage widmeten sich am 19. März 2024 über 30 Teilnehmende, darunter Vetreter:innen der Zivilgesellschaft, Landwirtschaft und Raumplanung. Durch die Fachbeiträge und Diskussion mit den Expert:innen von ÖKOBÜRO, Greenpeace, WWF und AllRise wurde klar: wer etwas verändern will, muss hartnäckig bleiben.

von links: Lisa Weinberger, Ann Winkler, Olivia Herzog, Wolfram Proksch

„In Österreich wird jährlich immer noch eine Fläche in der Größe von Eisenstadt verbaut.“, betonte Lisa Weinberger, stellvertretende Geschäftsführung von ÖKÖBÜRO, in der Veranstaltungseröffnung. Bodenschutz sei eine wichtige Klimaschutzmaßnahme, scheitere aber oft am fehlenden politischen Willen. Häufig wird im Kontext des hohen österreichischen Bodenverbrauchs der Föderalismus ins Feld geführt. Weinberger widerlegte diese Aussage mit einem positiven Gegenbeispiel aus der Schweiz. Dort gibt es trotz der föderalen Struktur bereits seit Jahrzehnten ein Bundesamt für Raumordnung. Dadurch liegen sowohl fachliche Kompetenz als auch Aufsichtsfunktion bei einer Spezialbehörde, die den Bodenverbrauch länderübergreifend kontrolliert.

Möglichkeiten der Öffentlichkeit beim Bodenschutz

Gregor Schamschula, Umweltjurist bei ÖKOBÜRO und Lektor für Umweltrecht auf der FH Campus und der TU Wien, legte die politischen und rechtlichen Möglichkeiten für die öffentliche Beteiligung im Bereich Bodenschutz dar. Einerseits kann die Öffentlichkeit durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Druck auf politische Entscheidungsträger:innen ausüben, andererseits können Bürger:innen beispielsweise auch Umweltinformationen zu Bauprojekten einholen. Außerdem können sich Betroffene und Umweltschutzorganisationen an Umweltverfahren beteiligen. Grundlage dafür bilden die Aarhus-Konvention, das Umweltinformationsgesetz und die durch EU-Recht gesicherten Beteiligungsrechte bei Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und Strategischen Umweltprüfungen (SUP).
 

Vortrag von Gregor Schamschula

Schamschula skizzierte Herausforderungen für diese Beteiligungsprozesse in Österreich, insbesondere beim Zugang zu Umweltinformationen und der Durchführung von UVP und SUP. Als Lösungen nannte er mehr Ressourcen für die Behörden, eine vom Bund abwärts gehende Energieraumplanung und partizipative, gute Umweltverfahren.

Im Anschluss veranschaulichten die drei Gastredner:innen anhand von Beispielen, wie die Öffentlichkeit ihre rechtlichen Möglichkeiten in der Praxis anwenden kann.

Beispiele aus der Praxis

Olivia Herzog, Biodiversitätsexpertin bei Greenpeace, stellte das Projekt „Grafenwörth“ vor. Hier konnten durch die Beantragung von Umweltinformationen Unregelmäßigkeiten bei der Umwidmung von Grün- auf Bauland durch die Gemeinde Grafenwörth aufgedeckt werden. Der Fall unterstreicht die Bedeutung von Transparenz und öffentlichem Zugang zu Informationen: So betonte Herzog vor allem die instrumentelle Rolle der Zivilgesellschaft, Behörden zur Rechenschaft zu ziehen und nachhaltige Bodennutzungspraktiken einzufordern.

Ann Winkler, Alpenschutzexpertin des WWF, betonte die Dringlichkeit des Schutzes alpiner Räume. Dass die Öffentlichkeit auch hier erfolgreich mobilisieren kann, illustrierte sie am Beispiel der gescheiterten „Gletscher-Ehe“ zwischen Ötztal und Pitztal. Hier wurde ein umstrittenes Seilbahnprojekt durch die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften und die Nutzung rechtlicher Mechanismen wie der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung verhindert. So konnten Umweltschutzorganisationen die ökologisch sensible Region vor dem schweren Eingriff bewahren. Winkler warnte vor ähnlichen geplanten Projekten im Pitztal und Kaunertal, gegen die sich der WWF ebenfalls engagiert.

Wolfram Proksch, Rechtsanwalt und Gründer der Organisation „AllRise“, stellte in seinem Vortrag die durch AllRise eingereichte VfGH-Klage gegen Bodenverbrauch vor und zeigte das Potenzial rechtlicher Wege im Bodenschutz auf. Die Klage verweist auf die mangelnde Umsetzung europarechtlicher Vorschriften durch den österreichischen Gesetzgeber. Mit strategischen Klimaklagen und Advocacy-Kampagnen fordern Organisationen wie AllRise staatliche Untätigkeit heraus und ziehen Entscheidungstragende für ihre Versäumnisse bei der Einhaltung von Umweltverpflichtungen zur Rechenschaft.

Diskussion und Ergebnisse

Während der Diskussion im Workshop brachten die Teilnehmer:innen zahlreiche Fragen an die Vortragenden ein und teilten auch ihre eigenen Expertisen und Vorschläge zu den Workshop-Themen mit. Diskutiert wurde etwa das Verursacherprinzip, das besagt, dass externe Kosten durch Schadensersatzpflichten internalisiert werden sollten. Außerdem wurden mögliche Mechanismen erörtert, um Opfer des Klimawandels zu entschädigen, z.B. wenn ihre Höfe überschwemmt werden. Auch die mangelnde Mobilisierung von Brachflächen wurde behandelt sowie die unzureichende Umsetzung von Rechtsschutz in Österreich.
 

Als Lösungsansätze für mehr Beteiligungsrechte im Bereich Bodenschutz nannte ein Teilnehmender die Gründung von Wassergenossenschaften. Auch die Einrichtung eines „Raumordnungsministeriums“ nach dem Schweizer Modell wurde als ein Teil der Lösung für mehr Bodenschutz in Österreich festgehalten. Weiters wurde die Problematik von kurzsichtigen Gemeindeinteressen und zu wenig kontrollierten Flächenwidmungen diskutiert und eine Reform des Finanzausgleichs als Teillösung ins Treffen geführt.

Die Diskussion verdeutlichte den Bedarf an umfassenden Maßnahmen zum Schutz der endlichen Ressource Boden, sowie die stärkere Einbindung der Bevölkerung in politische und rechtliche Partizipationsprozesse.

Event-Fotos

Mehr zur Aarhus-Konvention

Der Workshop entstand in Kooperation mit dem Netzwerk Justice & Environment und ist Teil des EU-Förderprojekts DACE – Discussion and Actions on Climate and Environment, das die Erhöhung des Bewusstseins für Klimarechte in der Bevölkerung zum Ziel hat.