22. Januar 2024

EuGH Tiroler Wolf: Generalanwältin stärkt Artenschutz den Rücken

ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung

Schlussanträge sehen Österreich in der Pflicht, den Schutz gefährdeter Tierarten ernst zu nehmen 

Am 18.1.2024 erschienen die Schlussanträge der Generalanwältin Ćapeta zu den Vorlagefragen des Tiroler Landesverwaltungsgerichtes (LVwG) zu den dort bewilligten Wolfsabschüssen. In den Anträgen, denen der EuGH meist inhaltlich folgt, werden mehrere Fragen zur Anwendung der FFH-Richtlinie beantwortet, die für den Artenschutz hierzulande, aber auch der restlichen EU hoch relevant sind. So wird die Pflicht Österreichs, bzw. konkret der Bundesländer betont, Vorkehrungen für die Rückkehr des Wolfes zu treffen und Abschüsse nicht leichtfertig zu genehmigen.  

Allen voran stand in den Fragen des LVwG Tirol die Frage, ob die FFH-Richtlinie, die den strengen Schutz des Wolfes vorsieht, Österreich unsachlich benachteiligen würde, da andere Mitgliedsstaaten im Zuge ihrer EU-Beitrittsverhandlungen laschere Ausnahmebestimmungen für den Abschuss des Wolfes zugestanden bekommen hätten. Generalanwältin Ćapeta verneint dies und verweist darauf, dass eine unsachliche Ungleichbehandlung nicht dargelegt oder nachgewiesen wurde. Daraus schloss sie, dass „Österreich oder ein Teil seines Hoheitsgebiets […] nicht von Anhang IV der Habitatrichtlinie ausgenommen werden“ könne. Auch sei der EuGH nicht dazu befugt, eine Änderung der Richtlinie und ihrer Anhänge vorzunehmen, die den Schutzstatus des Wolfes ändern würde.  

Die zweite Frage des LVwG betraf die Frage, ob denn der strenge Schutz des Wolfes auch notwendig wäre, wenn dessen Erhaltungszustand zwar in Österreich schlecht, in anderen Staaten jedoch gut wäre. Dies wurde von der Generalanwältin verneint. Prüfungen müssten jedenfalls den nationalen Erhaltungszustand betreffen und bewerten, eine „Heilung“ des schlechten Zustandes durch andere Staaten sei nicht zulässig. Die gegenteilige Auffassung nationaler Behörden „könnte dazu führen, dass ein ungünstiger Zustand in einem Mitgliedstaat verschleiert und der falsche Eindruck vermittelt wird, dass die Erhaltung einer Art gesichert ist". 

Drittens hat der EuGH zu beurteilen, welche „Schäden“ relevant wären bei der Prüfung, ob ein ernsthafter Schaden an Schutzgütern vorlägen. Laut der Generalanwältin jedenfalls umfasst sein sollen dabei bereits eingetretene materielle Schäden, unmittelbar bevorstehende Schäden, deren Eintritt eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit hat, sowie auch möglicherweise immaterielle Schäden wie emotionale bzw. psychische Schäden. Nicht erfasst sein sollen jedoch mittelbare, makroökonomische Auswirkungen wie die behaupteten Einbußen der Almwirtschaft als solche. "Diesen Belangen ist in den systemischen Maßnahmen und Plänen Rechnung zu tragen, die die Mitgliedstaaten erlassen müssen, um Art. 12 der Habitatrichtlinie nachzukommen“, so die Generalanwältin. 

Schließlich stellte das LVwG noch die Frage danach, ob und in welchem Umfang wirtschaftliche Gründe für die Bewertung zulässiger gelinderer Mittel zulässig wären. Dabei verweisen die Schlussanträge darauf, dass jedenfalls eine Abwägung im Einzelfall nötig sei. Dabei „sind die wirtschaftlichen Kosten im Rahmen der Prüfung der Verfügbarkeit einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung in den Kontext der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zu stellen, die für den strengen Schutz des Wolfs erforderlichen Maßnahmen und Pläne einzuführen.“ Und weiters: „Dies war nicht die mit Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie verfolgte Absicht. Die vorgesehenen Ausnahmeregelungen sind Ausnahmemaßnahmen und sollten nicht zu einem Instrument werden, mit dem das Vorkommen von Wölfen in bestimmten Gebieten verhindert wird.  Das Zusammenleben mit Wölfen macht bestimmte Anpassungen erforderlich und damit verbundene Kosten müssen auch seitens der Tierhalter in den Alpen getragen werden. Diese unvermeidlichen Kosten dürfen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit anderweitiger Maßnahmen nicht außer Acht gelassen werden."  

Ein Urteil wird in den kommenden 1-3 Monaten erwartet, den Schlussanträgen sind bis dahin jedoch bereits wichtige Aussagen zum Artenschutz und den Verpflichtungen Österreichs zu entnehmen. Strenge Schutzvorschriften sind zu beachten, geschützte Tierarten wie der Wolf, aber auch etwa Bären, Luchse oder Fischotter dürfen nicht leichtfertig zum Abschuss freigegeben werden. 

Gregor Schamschula ist Umweltjurist bei ÖKOBÜRO. Er leitet den Bereich Recht und hat seine Schwerpunkte im Wasser-, UVP- und Artenschutzrecht.

Ähnliche Beiträge: